2. Bayrisches-Teleskop-Meeting 1998
Christian Ambros und Daniel Restemeier


Das Internationale Teleskoptreffen auf dem Vogelsberg ist immer ein guter Anlaß neue Bekanntschaften zu machen. Toll ist es auch, wenn man dabei den Veranstalter eines weiteren, des 2. Bayrischen-Teleskop-Meetings (BTM), kennenlernt. Sein Name ist übrigens Uli Zehndbauer, er ist 23 Jahre jung und Mitglied der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Ingolstadt. Da es auf dem Vogelsbergtreffen nicht gerade von gleichaltrigen Freaks wimmelt, kamen wir schnell bei einem Bier ins Gespräch. Angeregt durch die Organisation des ITV (unsere eigenen Bemühungen so etwas zu veranstalten würden schnell aus materiellen und personellen Gründen im Sande verlaufen) mündete der Meinungsaustausch schnell beim Thema Teleskoptreffen. Uli erwähnte beiläufig sein eigenes Projekt, das im letzten Jahr erfolgreich gestartet wurde. Dabei wollte er einen Gegenpol zum ITV schaffen, indem er sein Treffen in die 2. Jahreshälfte legte.
Gleich begeistert von seinen Erzählungen (Beobachtungsbedingungen gleich dem ITV) waren wir sofort entschlossen uns für das nächste BTM anzumelden, welches im August stattfinden sollte. Enthusiastisch meldete Christian Ambros einen Vortrag über Bildverarbeitung am PC an, um aktiv am Veranstaltungsprogramm teilzunehmen. Aus den Erfahrungen der letzten ITV schlauer geworden, begrenzte Uli die Anzahl der Teilnehmer seines Treffens auf maximal 100 Personen und setzte eine schriftliche Voranmeldung voraus.
Hierdurch glaubte er vermeiden zu können, das unkontrollierte Besucherströme eine familiäre Atmosphäre zerstören, wie uns das auf dem ITV negativ auffiel. Das war nun die Theorie - was würde uns also erwarten?
Gespannt, was der Zeitraum vom 20. bis zum 23.08.1998 bringen würde, bereiteten wir uns vor.
Der Vorabend gestaltete sich für Christian besonders turbulent, da er den Van vorbereiten mußte. Nachdem die hinteren Sitzreihen ausgebaut in der Garage standen, konnte er den Dobson von Daniel abholen, der auf der Sternwarte Oldendorfer Berg verwaist auf Gebrauch wartete.
Da war er nun - der Abreisetag!

Donnerstag, 20.08.1998: Abfahrt bei schönstem Sonnenschein und voller Reiselust. Nachdem wir nach 6 stündiger Fahrt durch Hessen und Bayern voller Vorfreude in dem Ort Pfünz ankamen, erkannten wir auch gleich die gute Beschilderung, die uns geradewegs eine kleine Serpentinenstraße auf den Osterberg ca. 150 Meter hinaufführte.
Nach der letzten Kurve erstreckte sich das noch junge 2. BTM vor unseren Augen. Im Kontrast zum ITV wurde die Platzgebühr gleich beim Eintritt an der Kasse entrichtet, welche wir auch ohne zu zögern gern bezahlten. Der erste Weg führte uns gleich zum Chef des Ganzen, um von ihm die Info über den besten Platz zu bekommen. Er war gleich sehr erfreut alte Bekannte wieder zu treffen, und ein kleines Schwätzchen lies sich trotz Kameras eines hier nicht weiter erwähnenswerten Landes - Senders nicht vermeiden. Während des Aufbauens der Instrumente (3,5" Kutter, 6" Newton und 10" Dobson) machten wir uns mit den schon Anwesenden bekannt. Ein spontaner Augenmerk viel auf die Wetterlage, die doch Zweifel an einer guten Beobachtungsnacht aufsteigen ließen, da auch die Vorhersagen der Nachrichten auf möglichen Regen hinwiesen. Der prognostizierte Regen kündigte sich durch eine hartnäckige Hochnebelschicht schon an. Selbst Uli war skeptisch. Nun konnten wir nur noch auf den Sonnenuntergang warten. Jedoch wurden wir nach Anbruch der Dämmerung eines besseren belehrt, da zusehends der Hochnebel durch die einsetzende Kälte herunterfiel. Von Minute zu Minute bekamen wir immer mehr die Gewißheit, dass uns eine klare Nacht bevorstehen würde.
Jetzt machte sich die gute Vorbereitung bezahlt. Während alle anderen Teilnehmer zusehends hektischer wurden, um ja nichts vom Himmel zu verpassen, konnten wir uns beruhigt zurücksetzen und mit einem Red Bull auf die kommenden Stunden anstoßen.
Da einige Zuschauer aus dem Umkreis den Platz unsicher machten, zeigten wir die hellsten Paradeobjekte der sommerlichen Milchstraße: der klar herausstechende M 13 mit 350facher Vergrößerung erschien im 10 Zöller wie ein lockerer Sternhaufen. Nach Ring- und Hantelnebel hatten wir uns bei fortschreitender Nacht genügend warm gesehen; wir schätzten die schwächsten Sterne im Zenit auf 6,3mag. Für unsere Augen keine alltägliche Nacht! Diese Bedingungen luden förmlich zum Genuß ausgedehnter Gashebel im Schwan ein, welche unglaublich strukturreich erschienen (Nordamerika-, Pelikan- und Cirrusnebel, Gamma Cygni-Komplex und Sharpless 112). Dann schaute Uli vorbei und berichtete, daß er kurz zuvor einen Satz der neuen Vixen Weitwinkel-LV Okulare zum Testen geliehen bekommen hatte. Er lieh sich auch von Christian den RGB - Filtersatz, da er dank des sehr guten seeings reichlich Zeit hatte die neuen Weitfeldokulare von Vixen gegen die bewährten Pentaxokulare in Kombination mit den Farbfiltern zu testen. Dabei kamen alle zu dem Ergebnis, dass sich die beiden Marken in Hinblick auf Kontrast und Bildhelligkeit nicht wesentlich unterscheiden. Als erstaunlich werteten wir, daß das Vixen Sortiment den Profi - Okularen von Pentax trotz geringerem Preis in nichts nachstand. Ab drei Uhr morgens zogen leichte Wolkenfelder über den Himmel, so dass wir beschlossen eine dringend benötigte Schlafphase einzuschieben.

Freitag, 21.08.1998
: Zweiter Tag. Unsanft wurden wir von Windböen geweckt, die eine der Teleskopabdeckplanen fort wehte. Der Himmel war komplett zugezogen und wollte uns auf Regen einstimmen. Im Westpark (ein großer Einkaufskomplex, der uns von Uli empfohlen wurde) in Ingolstadt deckten wir uns mit fürs Frühstück fehlenden Nahrungsmitteln ein und genossen so eine willkommene Abwechslung. Den Nachmittag vertrieben wir uns mit dem säubern und justieren unserer Teleskope und dem Besuch, der für den Tag angesetzten Vorträge. Der letzte Vortrag, gehalten von einem Amateurastronom aus den Niederlanden, informierte über seine Erfahrungen mit Schmidt-Cassegrain Teleskopen. Eine leise Hoffnung, daß sich die kommende Nacht doch noch astronomisch nutzen ließe, verflog in den frühen Abendstunden bei einsetzendem Nieselregen. Also fachsimpelten wir im Vereinsheim über verschiedenste Themen und genossen den Umstand mal wieder neue Sternfreunde kennenzulernen.


Samstag, 22.08.1998
: Dritter Tag und nicht besonders verheißungsvoller als der vorangehende. Am Nachmittag erfreute sich das Treffen zunehmender Besucherzahlen, die auch den stattfindenden Vorträgen Gehör schenkten. Der Astronomiepark wurde durch seinen Erbauer vorgestellt, welcher gleichzeitig der Vorsitzende des Astronomischen Arbeitskreises Ingolstadt ist.
Darauf folgte der von Christian gehaltene Vortrag über Bildbearbeitung am PC. Regen ließ die anwesenden Amateurastronomen sich im Vereinsheim versammeln und alle lauschten Uli´s gewagter Prognose: "Es könnte sich in der 2. Nachthälfte aufklaren...". Teils mit Hoffnung, teils mit ungläubigen Spot verkrochen sich die meisten in ihre Zelte, so dass nur noch der übliche harte Kern der Dinge wartete die da kommen sollten.
Wir hatten uns schon damit abgefunden wieder eine verregnete Nacht in ein paar Bieren zu ertränken als so ein paar "Spinner" (die Autoren schließen sich da nicht aus) fassungslos in den Himmel starrten.
Es war unglaublich! Das hatte noch keiner der Anwesenden erlebt! Während uns der Regen ins Gesicht fiel, konnte man klar den Verlauf der Milchstraße von der Cassiopeia bis zum Schützen verfolgen; faszinierend! Der Anblick war überwältigend und das Gefühl komisch. Wollte man uns an der Nase herumführen? Die zuvor dichte Wolkendecke riß immer weiter auf, wobei es immer weiter regnete. Gegen ein Uhr entschlossen wir uns endlich, die Teleskope aufzubauen; die anderen taten es uns gleich als auch sie sahen wie überragend gut der Himmel geworden war. In der Nähe des Polarsterns konnte ein 6,4mag schwacher Stern ausgemacht werden. Das bestätigte unser Gefühl eine sehr gute Nacht erwischt zu haben. Durch den Regen wurde wohl der ganze Schmutz aus der Atmosphäre gewaschen und ermöglichte eine selten klare Nacht.
Hastig warmgesehen an solchen Eyecatchern wie Crescentnebel und anderen Paradeobjekten starteten wir das in [1] vorgestellte Beobachtungsprojekt Cepheus. Zusammen mit dem Mitveranstalter des BTM, Andy Bender, den wir kurz zuvor kennengelernt hatten, beobachteten wir nun die ersten sechs Nebel im Cepheus ab. Wir waren fasziniert, wie brillant viele schwache Objekte nun hervorstachen. Aber auch viele andere für uns neue Nebel wie der Cocoon- (am Ende eines riesigen Dunkelschlauches) und der Bubblenebel waren nun schnell und einfach identifiziert und überraschten durch ihre Struktur.
M 15 mit Pease 1 war der nächste harte Brocken [2]! Dieser war schnell lokalisiert und mit [OIII]-Blinking auch im 10 Zöller eindeutig zu sehen. Hiermit ist das nun die uns bekannte Beobachtung mit dem kleinsten Gerät. In den Morgenstunden boten uns Jupiter und Saturn tuffige Anblicke durch verschiedene Geräte (u.a. 9" Bino-Dobson eines Berliners). Das letzte Objekt für diese Nacht war der Orionnebel, der gerade kurz über dem Horizont stand.

Sonntag, 23.08.1998
: Offizieller Abreisetag. Nachdem wir mit Uli gesprochen hatten und uns privat mit ihm verabredeten, reisten wir noch nicht ab, obwohl offiziell das Teleskopmeeting um 12 Uhr beendet war.
Mit uns blieb ein Oldenburger Sternfreund auf dem Platz. Gegen abend holten wir die Erlaubnis des Platzwartes ein, eine weitere Nacht auf dem Osterberg verbringen zu dürfen. Anfangs war die Wetterlage vielversprechend, so dass wir mit einem 12" Meade LX 200 Sonnenflecken beobachten konnten. Doch später bezog sich der Himmel. In der Nacht war es uns für eine gute halbe Stunde möglich, interessierten Gästen die hellsten Objekte in Zenitnähe zu zeigen. Danach setzten wir uns in gemütlicher Runde zusammen und Uli begann ein wenig über die letzten turbulenten Tage in Ruhe nachzusinnen. Als Gastgeber war er bestrebt den vermeintlichen Nord-Süd Konflikt im Zeichen der "Völkerverständigung" mit Austausch und ausgiebigen Genuß der jeweils heimischen Biersorten abzurunden. Hierfür und für die schönen Tage danken wir ihm im Nachhinein besonders herzlich.

Montag, 24.08.1998: grauer, inoffizieller Abreisetag: Es regnete bis wir in Ingolstadt den Astronomiepark erreichten, den wir uns nicht entgehen lassen wollten. Der Regen auf dem Rückweg zum Van ersetzte die fehlende Morgendusche und machte den Abschied nicht besonders schwer.
Beim nächsten Mal sind wir wieder dabei!

[1] Magellan 1; Seite 29ff "Beobachtungsprojekt Cepheus"
[2] Magellan 1; Seite 4f " Pease 1 revisited"


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erschienen in:
Magellan 1/1 Januar - März 1999 Seite 24ff