Gleich das erste Objekt
kann mit einigen Besonderheiten aufwarten: Dolidze-Dzhimshelejshvili 1 (PN G061.9+41.3, Her) wurde schon
1966 in einem Beitrag in dem sowjetrussischen Fachblatt Astronomicheskij
Tsirkulyar unter dem Titel „New emission object in Hercules“ [1]
vorgestellt. 1973 dann war das selbe Objekt in dem Artikel „New planetary
nebula“ [2] im selben Journal wieder ein Thema und trägt seitdem ebenfalls
die Bezeichnung Kazaryan-Oganesyan 1!
Wie es zu dieser „Mehrfachentdeckung“ kam ist uns nicht bekannt.
Das wirklich Besondere an DDDM 1 = OK 1 sind allerdings die räumliche Lage und
die physikalischen Eigenschaften. Das Objekt steht etwa 33.000 LJ über der
Galaktischen Ebene und gehört damit zu den seltenen PN im Galaktischen Halo –
es sind erst 12 weitere Halo-PN bekannt! Der Vorgängerstern gehörte der
Population II an und so ist DDDM 1 im Vergleich mit PN in der Scheibe der
Milchstraße arm an schwereren Elementen, insbesondere Kohlenstoff.
Mit einer vernünftigen Aufsuchkarte und Filterblink ist es kein Problem, den PN
zweifelsfrei zu identifizieren, aufgrund seiner großen Entfernung ist aber an
eine Auflösung in eine Fläche nicht zu denken.
Gillet-Jacoby-Joyce-Cohen 1
(PK 009-07.1, Sgr) gehört ebenfalls zu den PN im galaktischen Halo
und befindet sich als weitere Besonderheit im Kugelsternhaufen M 22! 1985 konnte
der PN zunächst als Infrarotquelle vom Infrared
Astronomical Satellite (IRAS) detektiert werden,
1989 wurde in [3] das optische Gegenstück vorgestellt.
Insgesamt sind bislang nur drei weitere Planetarische Nebel in
Kugelsternhaufen entdeckt, den bekanntesten von ihnen, Pease 1, haben wir im
ersten Teil unseres Projektes vorgestellt.
GJJC 1 zählt zu den visuellen Deepsky-Herausforderungen, gilt es doch, den PN
im zentrumsnahen Sterngewimmel von M 22 zu identifizieren und vom aufgehellten
Hintergrund zu separieren. Selbst wenn der PN weit ab von jeglichem
Hintergrundleuchten eines Kugelsternhaufens stehen würde, die blanken Zahlen
sprächen auch so für ein extrem schwieriges Objekt: der Zentralstern hat eine
Helligkeit von 14m3, der Nebel nach [4, 5] nur etwa 18m6 bei einer Ausdehnung
von 10“x7“ – eine kaum lösbare Aufgabe, selbst für sehr große Optiken!
Und die beschriebenen Umstände lassen eine visuelle Sichtung selbst bei quasi
perfekten Bedingungen letztlich als unmöglich erscheinen.
Ein Versuch mit 18“, 515x Vergrößerung und unter einem sehr guten
Alpenhimmel führte zu folgendem Ergebnis: „PN selbst, bzw. dessen Hülle
nicht zu sehen, keine Reaktion auf Filterblink mit UHC und [OIII]; lediglich der
Zentralstern ist als ca. 14mag heller Stern zu sehen; ZS befindet sich nur 1,1'
südlich des Zentrums von M 22 und bildet mit einem wenige Bogensekunden nördlich
stehenden Stern eine Doppelsternfigur.“
Nachdem
Rudolf Minkowski, geboren in Deutschland, 1935 in die USA emigrierte, verhalf
ihm sein Freund Walter Baade (siehe Baade 1 im ersten Teil) zu einer
Assistenzstelle am Mount Wilson Observatorium. Neben vielen anderen Veröffentlichungen
(häufig zusammen mit Baade) erschien 1946 ein Aufsatz von Minkowski unter dem
Titel „New Emission Nebulae“ [6], in dem er eine Liste mit 80 neuentdeckten
Nebeln vorstellte. Die meisten dieser Nebel konnte Minkowski durch Fotografien
und gewonnenen Spektren an den 60“ und 100“ Teleskopen der Mt. Wilson
Sternwarte zweifelsfrei als PN identifizieren - so auch Minkowski
1-1 (PK 130-11.1, And).
Mit einer Ausdehnung von nur 6“ ist Min 1-1 zwar klein, kann aber mit hoher
Vergrößerung eindeutig als Fläche aufgelöst werden.
„Reagiert beim Aufsuchen gut auf [OIII] Filter. Mit 100x und [OIII] Filter als
~13m Stern zu sehen. Wieder ohne Filter und mit 600x Vergrößerung zeigt sich
Min 1-1 als deutlich sichtbare, kleine Scheibe. Dank des guten seeings und der
ausreichenden Objekthelligkeit kann 740x noch gewinnbringend eingesetzt werden:
eine zwar jetzt blasse aber immer noch recht scharf begrenzte, runde Scheibe
homogener Helligkeit ist sichtbar. Leicht nordöstlich der Mitte (zumindest sehr
sicher nicht direkt in der Mitte!) blitzt immer wieder etwas sternförmiges aus
dem Nebel hervor. Wenn dies nicht der Zentralstern sein sollte (ungewöhnliche
Lage, deswegen vielleicht auch ein sternförmiger Knoten im Nebel?), dann ist
kein ZS sichtbar.“
Auf
das gemeinsame Konto von Manuel Peimbert und Gerardo Bátiz (beide aus Mexiko)
gingen 1960 10 PN-Entdeckungen [7], weitere 14 Entdeckungen gelangen Peimbert
zusammen mit R. Costero (PC-Katalog). Interessant ist auch, dass Silvia
Torres-Peimbert aus Mexiko mit Kollegen ebenfalls einen PN entdeckte und mit
Manuel Peimbert, sowie Antonio Peimbert (ebenfalls aus Mexiko)
zusammen mehrere Fachartikel verfasste. Die genauen verwandtschaftlichen
Beziehungen ließen sich nicht endgültig klären ;-)
Peimbert-Batiz 1 (PK 226-03.1,
CMa) ist visuell ein vergleichsweise leichtes Objekt. Allerdings ist wegen der
geringen Größe (>10“) und dem tiefen Stand von Mitteleuropa aus eine Auflösung
in eine Fläche relativ schwierig.
„Schon ohne Filter und mit 100x Vergrößerung als ca. 13-14m Sternchen in
reichem Milchstraßenfeld deutlich zu erkennen. Bei 300x (1,3mm AP) ist wegen
dem seeing Schluss. Ich kann eine kleine, mittelhelle Scheibe erkennen, die
eventuell ganz leicht elliptisch ist - definitiv kein Stern! Allerdings spricht
der PN praktisch gar nicht auf Nebelfilter an.“
Erst kürzlich, im Jahr 2004, wurde der mit 19’ Ausdehnung riesige und extrem
lichtschwache PN Pierce-Frew-Parker 1
(PN G222.1+03.9, Mon) bei einer tiefen Hα Durchmusterung des Südhimmels
gefunden und unter dem Titel „PFP 1: A Large Annular Planetary Nebula Caught
in the First Stages of ISM Interaction“ [8] vorgestellt.
Die mit etwa 70.000 Jahren schon sehr alte Nebelhülle stößt bei ihrer
Ausdehnung vor allem im Nordwesten der Blase auf Widerstand (interstellares
Medium), wird verdichtet (durch die Verlangsamung der Expansionsgeschwindigkeit)
und erscheint dadurch heller.
Allenfalls der im Vergleich zur restlichen Blase deutlich hellere Bogenabschnitt
könnte unter sehr guten Bedingungen visuell erfassbar sein. Aufgrund der im
Vergleich zu Hα schwachen [OIII] und Hβ Intensität (ca. 3:2:1, siehe
[8]) wird es sich aber um ein extrem schwieriges Unterfangen handeln - ein
erster Versuch mit 16“, großer AP und [OIII] Filter unter einem guten
Landhimmel viel negativ aus.
Saurer-Weinberger 1 (PN G233.0-10.1,
CMa) wurde von Walter Saurer und Ronald Weinberger entdeckt, beide am Institut für
Astronomie der Universität Innsbruck tätig. 1987 erscheint ein Fachartikel
unter ihrem Namen, in dem sie 4 neu entdeckte Planetarische Nebel vorstellen
[9]. Gefunden wurden die Objekte bei der gezielten Suche nach bislang
unentdeckten PN auf 72 schon vorher durchsuchten, blauempfindlichen Fotoplatten
der ESO/SRC Durchmusterung. Weinberger entdeckte außerdem 19 PN alleine und mit
anderen Kollegen nach unserem Kenntnisstand mindestens weitere 56 PN-Kandidaten!
Damit ist Ronald Weinberger sicher einer der erfolgreichsten PN-Jäger der
letzten Jahrzehnte.
Leider gestaltet sich ein Beobachtungsversuch (16", 129x, [OIII] Filter,
fst 6m7) nicht nur aufgrund der geringen Flächenhelligkeit als sehr schwierig:
„Schwieriges Sternfeld; dicht an der Position des PN befindet sich eine Gruppe
aus 14-15mag Sternen, die im [OIII] - Filter verwischen; gesehenen Nebel schätze
ich von den Sternen kommend, deswegen negative Einschätzung der Beobachtung.“
Bei Scarrott-Rolph-Wolstencroft-Walker
1 (Mon) handelt es sich
aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Protoplanetarischen Nebel (PPN). Entdeckt
wurde SRWW 1 im Rahmen des Infrared Astronomical Satellite (IRAS)-Projektes
und wurde danach nur noch in zwei Arbeiten 1990 und 1996 eingehender untersucht
[10, 11]. Die Aufnahmen in [10] offenbaren eine interessante, punktsymmetrische
(bipolare) Struktur, die mit der Anwesenheit eines Doppelsternpartners, der den
eigentlichen Zentralstern umkreist, erklärt wird. Nach [11] handelt es sich,
PPN-typisch, um einen Reflexionsnebel, dessen Licht stark polarisiert ist.
Auch wenn der PPN auf der blauen DSS-Aufnahme nur sehr schwach zu erkennen ist,
lies uns die interessante Morphologie nicht los und wenigstens ein Versuch,
dieses Objekt visuell zu erkennen, musste unternommen werden. Unter einem ländlichen
Himmel mit 16“ und unter Verwendung verschiedener Nebelfilter und Vergrößerungen
heißt es abschließend: „Nicht zu sehen, Zentralstern aber eindeutig als ca.
14,5-15m Stern erkannt.“
Nach Aussage des Entdeckers handelt es sich bei Vyssotsky
1-1 (PK 118-08.1, Cas) um einen von vier Zufallsfunden. In einer kurzen
Notiz mit dem Titel „Four New Planetary Nebulae“ [12] stellt Vyssotsky die
vier neuen Objekte 1942 der Fachwelt vor. Eine weitere Recherche brachte hervor,
dass der in Russland geborene und 35 Jahre lang an der University of Virginia
forschende Alexander N. Vyssotsky den Himmel spektroskopisch auf der Suche nach
M (roten) Zwergen und M Riesen mit der 10“ Prismenkamera des Leander McCormick
Observatoriums durchforstete und dabei auf die 4 PN stieß. So ist diese
Entdeckung nur die Spitze des Eisberges, sucht man nach Publikationen
Vyssotsky’s, so finden sich schnell über 100 Fachartikel und mindestens ein
Buch aus seiner Feder.
Mit nur 6“ Durchmesser kann man natürlich kein strukturreiches Objekt
erwarten, trotzdem ist Vy 1-1 visuell mit hoher Vergrößerung durchaus
interessant.
„Ab 66x Vergrößerung (6mm AP) schon deutlich als Sternchen erkennbar. Mit
600x (0,65mm AP) umgibt eine recht helle, kleine Scheibe einen schwachen (durch
die durch den Nebel aufgehellte Umgebung) aber eindeutigen Zentralstern. An die
innere Scheibe schließt sich nach Außen ein deutlich schwächeres Halo an,
welches den Durchmesser des PN etwa verdoppelt. Alle Nebelgrenzen der inneren
Scheibe und des Halos sind sehr diffus.“
Die letzten drei hier vorgestellten PN befinden sich am Südhimmel und sind von
Mitteleuropa aus unbeobachtbar. Gerade deswegen verdienen sie ganz besonders das
Prädikat „exotisch“! Achim Strnad hat die PN während seines Namibia
Aufenthaltes unter perfekten Bedingungen beobachtet, beschrieben und gezeichnet
- vielen Dank Achim für deine tolle Arbeit!
Weitere Namibia-Beobachtungen können auf seiner Homepage unter [13] nachgelesen
werden.
Menzel 1 (PK 322-02.1, Nor)
wurde 1922 erstmals in einer kurzen Notiz [14] erwähnt, in der Harlow Shapley fünf
von Menzel gefundene PN auflistet. Nur bei vier der fünf Nebel handelte es sich
um Neuentdeckungen, Nummer 5 war damals schon als NGC 7408 bekannt und wurde
danach Menzel nicht zugesprochen. Warum gerade Shapley Menzels Entdeckungen
einreichte, konnte von uns nicht geklärt werden. Eine direkte berufliche
Verbindung im Jahr 1922 ist uns unbekannt, Menzel war erst ab 1932 als Professor
in Harvard angestellt, wo Harlow Shapley seit 1921 als Direktor das
Harvard-College-Observatorium leitete.
Auch wenn Mz 3, der Ameisennebel, rückblickend sicher Menzels spektakulärste
PN-Entdeckung war (siehe z.B. [15]), so kann auch Mz 1 visuell mit einigem
Detail aufwarten.
„ Aber auch Harlow Shapley kann mit 5
eigenen Katalogeinträgen aufwarten, das interessanteste Objekt ist dabei der
76“ große Shapley 1 (PK 329+02.1,
Nor, „Fine-Ring Nebula“). Kurioserweise gelang auch hier nicht Shapley
selber die Entdeckung, sondern seiner Assistentin M. M. Seyfert [16]! Eine
verwandtschaftliche Beziehung zum bekannten Astronom Carl Seyfert, der auch mit
Shapley zusammen arbeitete, konnte nicht ermittelt werden, ist aber durchaus
vorstellbar.
Shapley 1 ist ein relativ großer und detailreicher PN, dessen Ringform visuell
problemlos zu erkennen ist.
„
1950 stellte Andrew D. Thakerey den von ihm als PN klassifizierten Thakerey 1 (PK 345-08.1, Ara) in der Arbeit „Some southern
stars involved in nebulosity” [17] vor, wohl nicht wissend, dass der PN zuvor
schon als IC 1266 bekannt war - Thackerey schreibt: „None of them, apart from
Eta Carina, seem to have been reported before“.
Als Direktor am Radcliff Observatorium in Südafrika lag sein
Forschungsschwerpunkt auf der Spektroskopie tausender Sterne, um deren
Radialgeschwindigkeiten zu vermessen und u. a. daraus Rückschlüsse auf die
Rotation unserer Milchstraße zu ziehen. Er verstarb bei einem Autounfall auf
dem Rückweg nach einer Beobachtungsnacht an der Sutherland Sternwarte.
Visuell ist Tc 1 zwar dank der großen Flächenhelligkeit einfach zu erkennen,
aufgrund der geringen Ausdehnung von unter 10“ ist eine Auflösung in eine Fläche
jedoch erst mit höheren Vergrößerungen möglich.
„
[1] Dolidze, M. V.; Dzhimshelejshvili, G. N., New emission object in Hercules,
Astron. Tsirk., No. 385, p. 7-8, 1966
[2] Kazaryan, M. A.; Oganesyan, E. Ya, New planetary nebula,
Astron. Tsirk., No. 753, p. 3-6, 1973
[3] Gillett, F. C.; Jacoby, G. H.; Joyce, R. R.; Cohen, J. G.; Neugebauer, G.;
Soifer, B. T.; Nakajima, T.; Matthews, K., The
optical/infrared counterpart(s) of IRAS 18333-2357, ApJ, Part 1, vol. 338,
p. 862-874, 1989
[4]
http://tech.groups.yahoo.com/group/amastro/message/18673
[5] http://tech.groups.yahoo.com/group/amastro/message/18690
[6] Minkowski, R., New
Emission Nebulae, Publications of the Astronomical Society of the Pacific,
Vol. 58, No. 344, p.305, 1946
[7] Peimbert, M; Batiz, G., Nuevas nebulosas planetarias, Bol. Obs. Tonantz.
Tacub., 2, part no 19, 19-20, 1960
[8] Pierce, Mark J.; Frew, David J.; Parker, Quentin A.; Köppen, Joachim, PFP
1: A Large Planetary Nebula Caught in the First Stages of ISM Interaction,
Publications of the Astronomical Society of
[9]
Saurer, W.; Weinberger, R., The
delta = -33 to 17 deg zone - Probing SRC J film copies for planetary nebulae,
Astronomy and Astrophysics Supplement, vol. 69, no. 3, p. 527-531, 1987
[10] Scarrott, S. M.; Rolph, C. D.; Wolstencroft, R. D.; Walker, H. J.;
Sekiguchi, K., The
Nature of the Bipolar Nebula Associated with IRAS:0731-0147, R.A.S. MONTHLY
NOTICES V.245, NO. 1/JUL1, P. 484, 1990
[11] Alves, David R.; Hoard, D. W., Near-Infrared
Observations of the Proto-Planetary Nebula IRAS 07131-0147, Astronomical
Journal v.112, p.230, 1996
[12] Vyssotsky, A. N., Four
New Planetary Nebulae, Publications of the Astronomical Society of the
Pacific, Vol. 54, No. 319, p.152, 1942
[13]
http://www.strnad-emskirchen.de/namibia_beobachtungen.html
[14] Shapley, H., Five
new planetary Nebulae, Harvard College Observatory Bulletin No. 777, pp.3-3,
1922
[15] http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2001/05/image/a/
[16] Shapley, H., Five
Planetary Nebulae and a Globular Cluster, Harvard College Observatory
Bulletin No. 902, pp.26-27, 1936
[17]
Thackeray, A. D., Some
southern stars involved in nebulosity, Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society, Vol. 110, p.524, 1950